Wo ist die Erdbeerbowle geblieben?
Als der Sommer noch in einer Glasschüssel wohnte.
Es ist Sommer – Erdbeerzeit. Man bekommt sie überall: Im Bioladen, auf dem Markt, auf den Feldern zum Selberpflücken, wo viele gleich im Mund statt im Körbchen landen. Zuhause werden dann daraus Smoothies, Desserts und Erdbeerkuchen.
Aber keine Erdbeerbowle.
Früher war sie das beliebteste Getränk bei Geburtstagen, bei Gartenfesten oder beim gemeinsamen Fußball gucken. Sie durfte bei keinem geselligen Sommerabend fehlen.
Nach dem Einzuckern wurden die Früchte in der bauchigen Bowlenschüssel, dem Stolz jeder Hausfrau, mit Wein aufgegossen und über Nacht kaltgestellt. Kurz bevor die Gäste eintrafen, kam reichlich Sekt dazu.
Zum Trinken gab extra Gläser mit Henkel und für die Erdbeeren kleine Plastikspieße, mit denen sie mühsam herausgefischt werden konnten.
Ich erinnere mich, dass bei einem Doppelkopfabend meines Onkels alle so engagiert waren, dass sie auf die Früchte verzichtet haben. Ich, damals noch keine zehn Jahre alt, beschäftigte mich unbemerkt damit, die prallen Erdbeeren aus den Gläsern zu angeln und mit wachsender Begeisterung zu essen. So kam ich zum ersten „Rausch“ meines Lebens und musste von meinem Onkel ins Bett getragen werden. Meine Eltern durften natürlich nichts davon wissen.
Heute gibt es stattdessen Aperol Spritz, der mit Strohhalm serviert wird oder den Hugo mit dem krönenden Minzblättchen, die man genauso gut allein an der Bar oder am Pool trinken kann.
Das Gemeinschaftserlebnis Erdbeerbowle ist aus der Mode gekommen. Schade.